Mittwoch, Mai 13, 2009

Sind wir nicht alle ein wenig Judas?


Diese Frage zu stellen ist verlockend, obwohl bei näherem Hinsehen doch ein wenig blöd. Natürlich sind wir nicht alle ein wenig Judas. Denn Judas ist wirklich einer dieser Menschen, „die besser nie geboren worden wären!“ (Markus 14:21) Es gibt sie diese Menschen. Von der dunklen Seite der Macht so eingenommen, dass Jesus nicht annähernd an sie herankommen kann – egal was er tut oder macht. Manchmal ist auch Gott machtlos. Manchmal machen wir ihn machtlos.

Johannes z.B. war auch ein Jünger, wie Judas. Sie sind beide jung. Kaum Mitte zwanzig. Sie erleben die aufregendsten Jahre ihres Lebens zusammen. Sie sehen Jesus auf dem Wasser laufen. Sie sehen ihn den Sturm stillen. Sie sehen, wie Lazarus aufersteht. Sie sehen, wie Gott in Jesus wirkt. Und trotzdem nehmen sie so grundverschiedene Wege. Als Johannes älter wird und das Johannesevangelium schreibt, da erwähnt er, dass sich Judas gerne aus der Kasse bedient hatte, die für die Armen und ihre Belange gedacht war. (Johannes 12:6)

Judas ist gierig und er will, dass Jesus die Römer vertreibt. Er will ein Königreich Juda. Er will Macht haben und er will es jetzt. Er verrät den Sohn Gottes. Er verkauft ihn für den Preis eines Sklaven, für 30 Silberstücke. Er küsst ihn in Gethsemane. Kein Mensch wird jemals wieder seinen Sohn den Namen Judas geben, obwohl der Name die wunderbare Bedeutung „Gott führt!“ hat.

Sind wir nicht alle ein wenig Judas? Natürlich nicht, aber besteht auch bei uns zumindest nicht die Möglichkeit, mit Jesus zu gehen aber trotzdem nicht mit ihm zu leben? Judas ist das Paradebeispiel für verpasste Gelegenheiten. Permanent bekommt er die Gelegenheiten, sich zu outen – zu bekennen. Aber er lässt eine nach der anderen verstreichen – sogar dann, als Jesus ihm die Füße wäscht und vor allen sagt, dass es einen gibt, der ihn verraten wird.

Tief in Judas steckt die Enttäuschung, weil seinen Vorstellungen nicht entsprochen wird.Aus Enttäuschung wird Bitterkeit. Aus Bitterkeit Verrat. Der Text aus dem Johannesevangelium (Kapitel 13,12-30) ist eine der dramatischsten Szenen in der ganzen Bibel. Jesus gibt Judas zu verstehen, dass er es weiß. Die Spannung steigt ins unermessliche. Judas hat sich endgültig entschieden – er wird seinen Schöpfer und Erlöser verraten. „Was du tust, das tue schnell!“ Jesus will Satan nicht beim ersten Abendmahl dabei haben. Und Judas geht. Diesen Abschnitt schließt die Bibel mit dem Satz: „Und es war Nacht!“ ab. Und wie es Nacht war. Und wie es in Judas Nacht gewesen sein muss.

Wenn der Mensch sich entschließt, nicht mehr Kind des Lichts zu sein und wegen verschiedener Umstände sich dazu entschließt, Gott zu verlassen – dann wird es Nacht. Und offensichtlich ist es nicht so, dass das zusammen Gehen mit Jesus automatisch auch ein zusammen Leben mit Jesus bedeutet. Bei Judas war es zumindest so.

Denn ihr wart früher Finsternis; nun seid ihr aber Licht in dem Herrn. Lebt als Kinder des Lichts.(Epheser 5,8)

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