Montag, November 26, 2007

Shortstory

Es war wieder Sabbat. Er erinnerte sich nicht, wann er gestern Nacht nach Hause kam, aber es muss spät gewesen sein, oder früh, am nächsten Tag, jedenfalls zeigte sich das Licht der Sonne irgendwo weit weg und kündigte den neuen Tag an. Es war wieder eine dieser Nächte, wie er sie schon zu viele Male erlebt hatte. Aus irgendeinem Grund erinnerte er sich an die vielen lauten Vögel, die ihm vor einigen Stunden ein Willkommenskonzert in den Baumkronen vor seinem Haus veranstaltet hatten.

Jetzt lag er regungslos im Bett und hörte in der Wohnung die ihm wohl bekannten Geräusche eines Samstag Morgens. Seit dem er sich erinnern konnte, hatte es seine Familie an diesem besonderen Morgen immer eilig, da man nicht zu spät in der Kirche ankommen wollte. Und trotzdem schaffte man es nur in den seltensten Fällen, pünktlich zu sein.

Er hörte die Teller in der Küche, das hastige Hin und Her von Zimmer zu Zimmer. Er hörte die schnelle Trippelschritte seines kleines Bruders, wie er in sein Zimmer rannte, um noch etwas zu holen. Eine CD seines Vater lief im Hintergrund, ein christlicher Mix, den er seinem Vater mal brennen musste. Er hoffte, dass er es nicht vergessen würde, die Musik auszumachen bevor sie das Haus verließen, sonst würde er aufstehen müssen, um es selbst zu tun.

Und dann kam die Stille. Ganz plötzlich. Er wusste, dass er allein war.

Seine Eltern hatten vor 2 Jahren aufgehört ihn zu bitten, mitzukommen. Es wäre eine Phase, so tröstete sich seine Mutter nun sein Jahren vergeblich, jedoch wusste er es besser – die „Phase“ würde bis an sein Lebensende gehen.

Die Kirche aus der er kam, in der er aufwuchs war eine große Kirche. Er wusste nicht genau wie viele Menschen dort jeden Sabbat zum Gottesdienst kamen, aber wenn er es mit den Veranstaltungen in der Aula seiner Schule verglich, dann waren das ähnliche Größenordungen. In einem Infoblatt seiner Schule las er einmal, dass sie über 250 Schüler zählte. Er erinnerte sich gerne an den großen Parkplatz vor der Kirche und die vielen Basketballturniere, die sein großer Bruder damals organisierte. Er saß als kleiner Junge bei den Auswechselbänken und reichte den Großen die Wasserflaschen. Sein Gedanken flogen über das Gemeindezentrum der Kirche und innerlich schaute er sich jeden Raum an und unwillkürlich stiegen in ihm Farben, Gerüche, Töne und Empfindungen auf, je nach Raum in dem er sich gerade befand.

Der kleine Kinderraum mit dem ulkigen Jesusbild an der Wand war dunkelbeige und sehr warm – viele tolle Geschichten hatte er da gehört. Einmal später, bei einem Weihnachtskonzert, er ging da schon recht unregelmäßig in die Kirche, zog er sich mit Franziska in diesen Raum zurück. Sie wollte unbedingt mit ihm reden.

Während er auf einem der kleinen Kinderstühle saß, lachte er über das Bild an der Wand. Der Maler verpasste Jesus Schuhe, die nach Ballerinas aussahen und der Löwe oder Tiger, er wusste es nicht mehr genau, war doppelt so groß, wie die Menschen, wobei ihm die eine Pfote viel größer vorkam, als die andere. Grundsätzlich waren die Proportionen bei diesem Bild seltsam und er bemerkte, dass ihn all das als Kind nie ins Auge gefallen war, geschweige denn, dass es ihn gestört hätte.

Er riss sich aus seiner imaginären Reise. Grundsätzlich vermied er es, sich lange Gedanken über seine persönliche Geschichte mit der Kirche zu machen. Anfangs glaubte er noch gute Gründe zu haben, warum er mit der Kirche und mit den Leuten dort am liebsten nichts zu tun haben wollte, aber jetzt?

Nicht nur, dass die Predigten das Highlight der langweiligsten Momente seiner Woche waren, er hasste die Lästerei und die Muffigkeit der Älteren um ihn herum. Einmal war er gezwungen ein Vier-Augen-Gespräch mit seinem Pastor zu führen, weil die Mutter eines Mädchens, mit der er manchmal zusammen war, fand, er wäre kein guter Umgang für sie. Er kam sich vor, wie das Letzte, wobei sie fast als Heilige dargestellt wurde. Dabei war sie gar nicht so unschuldig. Das wusste sie, das wusste er, und das wussten noch mindesten zwei anderen Typen, die er kannte. Aber ihre Mutter wusste es nicht und der Pastor auch nicht. Grundsätzlich wussten die älteren Leute aus der Kirche rein gar nichts über ihn. Sie wussten nicht wie er lebte, was er dachte und am wenigsten wie er fühlte und er war nicht bereit, es ihnen zu sagen.

to be continued...